Literatur wurde in der Verlagsstadt Göttingen und, nach den Worten von Ministerpräsident Stephan Weil, Stadt mit der höchsten Buchladendichte Deutschlands, schon immer großgeschrieben. Diese Erfolgsgeschichte wird nun fortgesetzt. Mit dem Göttinger Literaturherbst und dem Literarischen Zentrum arbeiten ab sofort zwei Göttinger Institutionen unter einem Dach zusammen. Am 7. und 8. Mai wurde das Literaturhaus Göttingen in der Düstere Straße mit hochkarätigem Programm und prominenten Gästen eröffnet.
Literaturherbst und Literarisches Zentrum
Kräfte gebündelt
Der Göttinger Literaturherbst ist ein internationales Literatur-Festival, das jährlich an zehn Tagen im Oktober, im Anschluss an die Frankfurter Buchmesse veranstaltet wird. Das größte Lesefestival Niedersachsens wurde 1992 ins Leben gerufen.

Eröffnung: Volles Haus bei der Lesung mit Doris Dörrie.
Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke
Literaturmagnet: Viele Gäste waren zur Eröffnung gekommen.
Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke
Das im Jahr 2000 gegründete Literarische Zentrum Göttingen präsentiert Literatur in ihren vielfältigen Erscheinungsformen. Rund 40 Lesungen und zahlreiche Schulveranstaltungen werden jährlich geplant und realisiert. Neben Schriftstellern sind, ebenso wie beim Literaturherbst, häufig auch Filmemacher, Musiker, Wissenschaftler, bildende Künstler und Medienschaffende zu Gast. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, dass diese beiden Institutionen ihre Kräfte nun gebündelt haben und Synergien nutzen.
Phantastisch renoviertes Ensemble
Wenn die Stimmung am Eröffnungswochenende symbolisch für die Zukunft des Literaturhauses Göttingen steht, dann darf der Kooperation vom Göttinger Literaturherbst und dem Literarischen Zentrum ein großer Erfolg prognostiziert werden. Neben den geladenen Gästen aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung, wollten zahllose Göttinger*innen das neue Domizil besichtigen.
Nicht nur die neuen Räume haben die Besucher*innen in das phantastisch renovierte Ensemble gelockt, sondern auch das bunte, kurzweilige Programm. Es gab Musik von Christiane Eiben und Markus Gahlen, ein Speeddating mit den Verlagen Vandenhoeck & Ruprecht, Wallstein, Steidl und Hogrefe, Slam-Poetry, spannende Wortklaubereien mit Bas Böttcher und hochkarätige Lesungen von Doris Dörrie und Matthias Brandt.
Über alle Genres hinweg
“Im Idealfall spielt es Zukunftsmusik”
Viele Menschen kamen gezielt ins Literaturhaus, manche wurden von ihrer samstäglichen Einkaufstour abgelenkt und nahmen den neuen Veranstaltungsraum ganz spontan in Augenschein. Begeistert zeigten sich alle. Schon in der vorangegangenen Festveranstaltung war der deutsch-bosnische Autor Saša Stanišić voll des Lobes und zog eine Parallele zur Musik.

Loungecharakter: Die Farben Grau und Schwarz dominieren das Entree und den Saal.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Spielen vor der “Wand der ungelesenen Bücher”: Christiane Eiben und Markus Gahlen.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Das Literaturhaus solle, über alle Genres hinweg, sämtliche Tonleitern von Dur bis Moll spielen, sagte Saša Stanišić. Sein Literaturhaus solle zeigen, was sein könnte und wie wir leben könnten. „Im Idealfall spielt es Zukunftsmusik.“ Wer die Chefs der beiden Literaturinstitutionen, Anja Johannsen und Johannes-Peter Herberhold vor Kamera oder Mikrofon bekommen wollte, musste schnell sein. Die beiden waren eigentlich überall zugange und strahlten Erleichterung, Freude und Zufriedenheit und vor allem Harmonie aus.
Arbeiten unter einem Dach zusammen: Anja Johannsen und Johannes-Peter Herberhold.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Flexibel: Tisch oder Sitzgelegenheit
Der große Veranstaltungsraum im Erdgeschoss war während des gesamten Eröffnungswochenendes gut gefüllt. Wurde es eng, zauberten fleißige Helferlein fix noch ein paar Stühle aus dem Hut oder die hölzernen Sitzquader wurden kurzerhand baukastenartig neu arrangiert. Sie dienten so wahlweise als Tisch oder Sitzgelegenheit. Trotz des umfangreichen Programms kam keine Hektik auf, alles verlief so unkompliziert und unbürokratisch, wie man es von den bisherigen Veranstaltungen gewohnt ist.
Platz für 120 Gäste
Loungecharakter mit kleiner Bar
120 Besucher*innen finden im brandneuen Saal Platz. Farblich dominieren Grau und Schwarz den Raum, der aber aufgrund der großen Fenster zum Innenhof keine Düsternis vermittelt, sondern eher an eine Lounge erinnert.

Alles neu: 120 Besucher*innen finden im Saal Platz.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Überblick: die Empore mit kleiner Bar.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Optisches Vergnügen: Faszinierendes Licht- und Schattenspiel.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Mächtige freigelegte und weiß gestrichene Fachwerkbalken und eine hochformatige Videowand setzen den Kontrapunkt. Eine kleine Bar stellt die Getränkeversorgung der Gäste sicher. Wer dort auf der kleinen Empore sitzt, behält den Überblick über den Rest des Raumes und das Geschehen auf der Bühne.
Wand der ungelesenen Bücher
Die Ton- und Lichtanlage sind „state oft he art“ und das Publikum hatte bei den musikalischen Einlagen sowie den Lesungen am Eröffnungswochenende wahrhaftig nichts zu bemängeln. Schöner als die hauseigene Beleuchtung war nur die Abendsonne, die ihre ganz eigenen Muster und Schatten auf die Wand hinter der Bühne zauberte.
Und diese „Wand der ungelesenen Bücher“ müsst ihr euch unbedingt einmal aus der Nähe anschauen. Sie besteht aus unzähligen fadengehefteten Buchrücken. Das sieht nicht nur wunderschön aus, sondern unterstreicht den Zweck des Hauses beeindruckend und tut sicherlich auch der Akustik gut.
Public Viewing auf dem Nikolaikirchhof
Gäste machen es sich gemütlich
Wer zu den Veranstaltungen trotz aller Flexibilität keinen Platz im Haus mehr ergattert hat, konnte der gesamten Veranstaltung auf dem benachbarten Nikolaikirchhof folgen.

Intensiv: Matthias Brandt und Jens Thomas performen „Blackbird“.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Nikolaikirchhof: Die Videowand ermöglicht vielen Menschen die Teilnahme.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Fachwerk und Moderne: die Literaturhaus-Büros.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Viele Bücherfreund*innen machten es sich dort bei bestem Frühlingswetter und mitgebrachten Getränken vor der riesigen Videowand der Firma Light-House gemütlich. Eine phantastische Idee, die sich viele Gäste auch für zukünftige Veranstaltungen wünschen, wenn das irgendwie machbar ist.
Büros stilvoll restauriert
Der “Tag des offenen Tores”, in Anlehnung an das wuchtige, doppelflügelige Entree, führte die Besucher*innen auch in Bereiche, die sie üblicherweise nicht zu sehen bekommen, die Büroräume. Hier steht das moderne, puristische Mobiliar im wunderbaren Kontrast mit den kunstvoll restaurierten historischen Balken und Lehmgefachen. Dass die Räume mehr an ein gemütlich saniertes Altbau-Zuhause erinnern, kommt nicht von ungefähr. Lange vor der heutigen Literaturhaus-Eröffnung hatte Verleger und Nachbar Gerhard Steidl diese Räume als Künstlerwohnungen herrichten lassen.