Der Göttinger Wald ist zweifellos das wichtigste Naherholungsgebiet der Stadt, dabei ist er gar nicht so alt, wie ihr vielleicht vermutet. Erst vor gut 130 Jahren wurde das bis dato waldfreie Gebiet aufgeforstet. Auf rund 1700 Hektar wachsen heute überwiegend Buchen. Daneben Ahorne, Eschen, einige andere Laubbaum-Arten sowie Fichten und Lärchen. Schon seit Generationen wird der Stadtwald für Spaziergänge und Wanderungen, als Laufstrecke und für Fahrradtouren genutzt. Den Kehr, den Bismarckturm oder das Kerstlingeröder Feld haben die meisten von euch sicher schon besucht.
25 Standorte
Häuschen aus Lärchenholz
Neben dem Offensichtlichen bietet der Stadtwald aber noch einige Überraschungen mehr. Damit euch diese Geheimnisse nicht verborgen bleiben, gibt es die Waldblätter (Alle Waldblätter herunterladen). Ihr findet sie in den kleinen Holzhäuschen, die die Göttinger Forstverwaltung an 25 Standorten aufgestellt hat und in digitaler Form am Ende dieses Artikels. In Text und farbigen Fotos beschreiben die DIN A5-Papiere Tiere, Pflanzen oder auch Gesteinsformationen, die der Laie nicht auf den ersten Blick erkennt.

Gut geschützte Info: Das Lärchenholz für die Boxen stammt aus dem Stadtwald.
Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke
Tolle Idee: An 25 Standorten findet ihr die Waldblätter.
Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke
Wertvolle Bereiche im Stadtwald
“Durch die Waldblätter haben wir die Möglichkeit mit den Besucher*innen in Kontakt zu bleiben und so über wertvolle Bereiche im Stadtwald zu informieren”, sagt Stadtförsterin Lena Dzeia. Ihrer Initiative ist es zu verdanken, dass die Waldblätter, die es in anderer Form bereits seit 2008 gab, im Frühjahr 2021 neu gestaltet wurden.
Anstatt der bisherigen Plexiglas-Kästen haben die städtischen Forstwirte kleine Häuschen gebaut, aus Lärchenholz, das aus dem städtischen Forst stammt. So konnten die käferbefallenen Stämme noch eine sinnvolle Nutzung erfahren. Das Stadtwald-Logo wurde mit einem Brenneisen aufgebracht und sieht richtig hübsch aus.
Achtung Nest: Die Waldvögel haben die Häuschen für sich entdeckt.
Foto: Göttingen Tourismus & Marketing / Mischke
Vögel ja, Müll nein
Ein Magnetverschluss hält die Tür geschlossen, verhindert aber nicht, dass manchmal Vögel die niedlichen Häuschen als geschützten, trockenen Ort für ihre Nester entdecken. Wenn ihr so ein Nest findet, gebt bitte der Stadtförsterei unter 0551/400-3520 Bescheid, damit sie das Häuschen für die Brutzeit verschließen können, die Piepmätze haben schließlich die älteren Rechte im Wald.
Was ich allerdings ziemlich bescheuert finde ist, dass Waldbesucher ihren Müll in den Häuschen entsorgen. Dass muss echt nicht sein. Selbstverständlich liegen nicht an allen Standorten dieselben Waldblätter. “Wir bestücken die Häuschen mit den Infos, die die entsprechende Region erläutern”, sagt Lena. Derzeit gibt es die Informationen zu 12 verschiedenen Themen und Waldbereichen und weitere Waldblätter sollen folgen.
Relikte des Hainbergparks
Rundgang durch den Molkengrund
Als Ur-Göttinger und Fotograf bin ich recht häufig in diesem riesigen Areal unterwegs und habe längst meine Lieblingsorte gefunden. Die Waldblätter haben mir Dinge gezeigt, die ich ohne sie vermutlich nicht wahrgenommen hätte. Einer meiner liebsten Rundgänge führt durch den Molkengrund oberhalb der Schillerwiese, einen Teil des ehemaligen Hainbergparks. Er wurde, wie auch die gesamte Aufforstung des Hainbergs, von Göttingens damaligem Oberbürgermeister Georg Merkel vorangetrieben.

Etwas versteckt: Der Gedenkstein für den Musketier Willecke.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Gedenksteine und Charakterbäume
Ich hatte keine Ahnung, dass dieses wunderbare Stück Natur noch vor 1918 militärisches Übungsgelände war. Das erklärt auch den Gedenkstein für den Musketier Willecke, der hier ums Leben kam. Eine Karte auf dem Waldblatt hilft euch, den versteckten Stein zu finden. Ebenso wie die Nixengrotte, den Merkelstein oder die Ahlbornbuche. Auf dem Rundweg könnt ihr wunderbare Charakterbäume wie Schierlingstannen, eine Buche mit gedrehtem Stamm, riesige Douglasien und viele mehr entdecken.
Grüne Idylle: der Molkengrund oberhalb der Schillerwiese.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Picknick am Steintisch
Zwischendurch kommt ihr an mächtigen Steintischen vorbei, ein idealer Platz für ein Picknick mit Kindern. Hier haben vermutlich früher schon die Erholungssuchenden den Blick über Göttingen genossen, denn damals standen die Bäume ja noch nicht so hoch und dicht. Ehemalige Sichtschneisen, Tempel und Aussichtstürme sind heute verschwunden, bis auf die Plattform des kleinen Eulenturms. Das Areal ist aber auch so immer noch ein wunderbarer Ort, um die Seele baumeln zu lassen.
Versteinerter Meeresboden
Rippelmarken wie im Watt
Ich empfehle euch, den Stadtwald auch einmal von einer anderen Seite zu erkunden als von der Göttinger City aus. Von Herberhausen aus könnt ihr beispielsweise einige tolle Routen planen – zu Fuß oder auch mit dem Fahrrad. Kurz hinter dem östlichen Ortsausgang von Herberhausen findet ihr den fossilen Meeresboden. Er zeigt deutlich die sogenannten Rippelmarken. Vielleicht habt ihr die ja schon einmal bei einer Wattwanderung an der Nordsee gesehen. Hier sieht es genauso aus, nur eben aus Kalkstein.

240 Millionen Jahre alt: der versteinerte Meeresboden bei Herberhausen.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Schattig: Die Seckbornhütte an der einzigen Quelle des Stadtwalds.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Geschwisterbuche und Seckbornquelle
Eine recht leichte Wander-, respektive Fahrradstrecke, führt euch über den Hollandsgrund zur Geschwisterbuche. Ein idyllisches Fleckchen. Tipp: Wer keine entsprechende Karte oder App besitzt, fotografiert am besten eine der großen Karten ab, die an vielen Zugängen zum städtischen Forst stehen. Ungefähr 90 Minuten braucht ihr von dort zu Fuß zum Aussichtsturm “Harzblick” und könntet auf der Hälfte der Strecke noch einen kurzen Abstecher zur Seckbornquelle machen.
2021 voll restauriert: Der Aussichtsturm “Harzblick”.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Harzblick auf der Mackenröder Spitze
Der ursprüngliche Harzblick wurde 1897 erbaut. Mit der dazugehörigen Waldgaststätte stand er früher direkt auf der Mackenröder Spitze, einem Felssporn am östlichen Ende des Stadtwalds. Hier befindet ihr euch mit 428 Metern über NN am höchsten Punkt des Stadtwalds. Das Wirtshaus gibt es längst nicht mehr und der hölzerne Turm wurden in den Siebzigerjahren um rund 600 Meter nach Norden verlegt. Von oben habt ihr bei klarem Wetter einen herrlichen Blick zum Seeburger See, dem Ohmgebirge und bis zum Brocken im Harz.
Orchideen auf dem Feld
Gutsruine und Streuobst
Das Kerstlingeröder Feld ist auch einer meiner Langzeit-Lieblingsorte. Die meisten Besucher*innen halten sich hier nicht so lange auf, schauen sich nur die Gutshofruine an oder queren das Feld auf einer Radtour. Dabei kann man sich hier locker einige Stunden tummeln.

Blüht tausendfach auf dem Kerstlingeröder Feld: das Fuchs’ Knabenkraut.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Vor allem bei Kindern beliebt: die alte Gutsruine.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Selten und schwer zu entdecken: die Bienen-Ragwurz.
Foto: Göttingen Tourismus und Marketing / Mischke
Kinder lieben die alten Steinmauern der Ruine, nur darauf herumklettern sollten sie nicht. Die Steine sind doch sehr bröckelig und manche Mauerstücke sind alters- und witterungsbedingt schon umgestürzt. Häufig ist der Schäfer mit seiner Herde auf dem weitläufigen Gelände unterwegs. Bereitwillig beantwortet er Fragen, die vor allem die Kids haben. Im Spätsommer sind die Obstbäume entlang der Wege ein beliebtes Ziel für Liebhaber*innen von naturbelassenem Streuobst wie Zwetschgen und einigen leckeren Apfelsorten.
Knabenkraut und Waldvöglein
Ein eigenes Waldblatt befasst sich ausschließlich mit den sieben Orchideenarten, die im Sommer in diesem Naturschutzgebiet vorkommen, das vormals ein Truppenübungsplatz der Bundeswehr war. Das Fuchs’ Knabenkraut müsst ihr nicht lange suchen
Zu Tausenden blüht es hell- bis dunkellila auf dem Trockenrasen. Bei kleinwüchsigeren Orchideen, wie dem weißen Waldvöglein oder der Bienenragwurz, müsst ihr schon genau hinsehen. Falls ihr über die Informationen in den farbigen Waldblättern hinaus noch etwas wissen möchtet, könnt ihr euch gerne unter stadtforstamt@goettingen.de an die Expert*innen wenden.