Göttingens jüngstes Programmkino
Als die Bilder laufen lernten
Wer den schweren weinroten Vorhang neben dem alten 35-Millimeter-Projektor am Eingang zum Kinosaal beiseiteschiebt, fühlt sich direkt zurückversetzt in die Zeit als die Bilder laufen lernten. So ungefähr muss es ausgesehen haben, als Filmpioniere wie Georges Méliès oder seine Zeitgenossen, die Brüder Lumière, das Publikum zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit ihren Cinématographen begeisterten.

Früher Orgel, heute Sitzreihen: die Rangplätze in der Kirchenkuppel.
Originale Kirchenkuppel
106 Kinosessel laden die Gäste zum Filmgenuss ein und ihr leuchtendes Rot findet sich an der hölzernen Decke wieder. Es ist übrigens die originale Kirchenkuppel des Gotteshauses, das im August 1906 eröffnet wurde. „Die hat ein Handwerker in mühevoller Arbeit abgeschliffen, bevor sie danach neu lackiert wurde“, berichtet Telke Reeck, die Geschäftsführerin der Film- und Kinoinitiative Göttingen e.V. (FKI), die das Méliès betreibt.
Soundanlage in Dolby 7.1
Nostalgisches Gefühl
Nicht nur Kinoenthusiasten wird spätestens hier angenehmes nostalgisches Gefühl beschleichen. Wunderschön, so viel Liebe zum Detail. Was der Gast nicht sieht, aber defintiv hört, ist die brandneue Soundanlage. In Verbindung mit den gedämmten Wänden sorgt sie für den gewünschten trockenen Kinoklang in Dolby 7.1.

Umbau hat zwei Jahre gedauert
Zwei Jahre hat der Umbau des durch jahrzehntelange Nichtnutzung arg verfallenen Gebäudes gedauert. Wasser war über die Jahre eingedrungen, Außenwände waren verschmiert, Türen verrottet und Fensterscheiben waren eingeworfen worden. Ich erinnere mich gut, an das Jammerbild, das der Kirchenbau schon im Vorbeifahren abgab.
Highlight ist das Türmchen
Komplette Dachsanierung
Neben dem ehemaligen Gotteshaus wurde ein Anbau für den ansprechenden Eingangsbereich errichtet, in dem sich jetzt die ehemalige Außenmauer befindet. Das schafft, besonders nachts, reizvolle Ein- und Ausblicke für die Besucher. Ein Highlight ist das Türmchen der Kirche.

Filmpionier und Namensgeber: Georges Méliès.
Wissenwertes im Foyer: Infotafeln und Filmplakate.
Klassisches Arthouse-Kino
„Wir sind Kinomacher aus Passion, wir brauchen das und ohne Kultur geht es einfach nicht“, kommentiert Telke rückblickend die schwierige Corona-Zeit. Während das Lumière, das zweite von der FKI betriebene Programmkino in Göttingen, etwas experimenteller aufgestellt ist und ein vorwiegend jüngeres Publikum ansprechen will, widmet sich das Méliès ganz dem klassischen Arthouse-Kino. „Da ergänzen sich die beiden Filmtheater hervorragend“, sagt Telke.
„Wir sind für alles offen“
Spannende Kooperationen
Mit den benachbarten Kultureinrichtungen des Jungen Theaters und des KAZ hat Telke schon wunderbare Einfälle für zukünftige gemeinsame Projekte in petto. „Da dürfen die Göttinger durchaus gespannt sein“, verspricht sie. Auch mit dem Entwicklungspolitischen Informationszentrum (EPIZ), dem Museum Friedland oder dem Institut für Kulturanthropologie bestehen Kooperationen. Unter dem Motto „Mehr als Kino“ gibt es auch viele Ideen für mögliche Zusammenarbeit mit dem Göttinger Symphonie Orchester, dem Literarischen Zentrum oder der Göttinger Händelgesellschaft. „Wir sind neugierig und für alles offen“, sagt Telke.