Demjenigen, der es auf eine Briefmarke oder einen Geldschein geschafft hat, darf man wohl eine gewisse Berühmtheit bescheinigen. Dem Mathematiker, Astronomen und Physiker Carl Friedrich Gauß ist beides gelungen.
Auf 10-DM-Schein verewigt
Stadtführungen durch die Sternwarte
Seine Forschungs- und Wohnstätte, die historische Göttinger Sternwarte, wurde auf dem alten 10-D-Mark-Schein verewigt. Gauß wurde 1807 an die Georg-August-Universität berufen und damit erster Direktor der „neuen“ Sternwarte. Hier hat er bis zu seinem Tod am 23. Februar 1855 gelebt und gearbeitet hat. Im Rahmen von Stadtführungen, die Göttingen Tourismus anbietet, könnt ihr euch dieses einmalige Bauwerk der Wissenschaftsgeschichte ansehen.

Klassizistisch: Universitätsbaumeister Borheck zeichnet für den Bau der Sternwarte verantwortlich.
Ausgerechnet am Tag einer Jubiläumsfeier der Universität soll Gauß am 17. September 1816 sein Quartier in der Sternwarte bezogen haben. „Er konnte derartige Feierlichkeiten mit vielen Menschen nicht leiden und versuchte, sie zu vermeiden, wann immer es ging“, erklärt Gästeführer Jörg Scharmach. Universitätsbaumeister Georg Heinrich Borheck zeichnete für den streng symmetrischen, klassizistischen Bau verantwortlich. Er lag seinerzeit weit außerhalb der Stadt, an der Geismarer Chaussee, im Grünen.
„Sternwarte bey Göttingen“
Mit unverbauten Sichtachsen und nahezu ohne Beleuchtung ein idealer Standort für die Himmelsbeobachtung. Das Bebauungsverbot, das 1900 für den nördlichen Bereich, in Richtung der heutigen Keplerstraße, ausgesprochen wurde, gilt übrigens auch heute noch. Die Göttinger sprachen von der „Neuen Sternwarte bey Göttingen“ und Gauß schrieb 1817 in einem Brief, er wohne hier „wie auf dem Lande“.
“Neue Sternwarte” deshalb, weil es bereits ein astronomisches Observatorium in der Stadt gab. König Georg II., der auch die Georgia Augusta gestiftet hat, erteilte bei einem Göttingen-Besuch die Zustimmung eine Sternwarte zu bauen. Sie befand sich in der heutigen Turmstraße und wurde 1751 eröffnet.
Astronomie, Mathematik und Erdmagnetismus
Astronom Tobias Mayer, den Gauß „immortalis (den unsterblichen) Mayer“ nannte, war dort Direktor. Der Observationsturm erwies sich allerdings zunehmend als instabil, weshalb die neue Sternwarte in den Jahren 1803 bis 1816 errichtet wurde. Gauß‘ Arbeitsgebiete umfassten neben der Astronomie auch die Mathematik, die Landvermessung (Geodäsie) und die Physik, hier vor allem den Erdmagnetismus. Dass er mit Wilhelm Weber außerdem den ersten elektromagnetischen Telegraphen erfand, bietet Stoff für eine eigene Geschichte.
Gauß bestand darauf, die von ihm benötigten modernen Instrumente selbst zusammenzustellen und beschaffen zu lassen. Schließlich arbeitete er in einer nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen konzipierten Forschungsstätte. „Das heutige Aussehen der Sternwarte entspricht allerdings nicht dem, wie Gauß es erlebte“, weiß Jörg. Ein kompletter Rückbau auf den Stand von 1816 wäre bautechnisch problematisch gewesen. So entschloss man sich im Zuge der historischen Renovierung ab 2007, den Zustand vor dem ersten großen Eingriff von 1886 bis 1888 wiederherzustellen.
Markante Drehkuppel aus Dublin
Filigrane Wandmalereien
„Die markante Drehkuppel, so wie wir sie heute sehen, stammt auch aus dem Jahr 1888“, sagt Jörg, „und wurde aus Dublin in Irland hierher gebracht. Auf historischen Zeichnungen oder auf dem alten 10-DM-Schein ist tatsächlich eine deutlich flachere Variante zu erkennen.

Zwei Teilkreise mit Lupe
In den beiden Meridiansälen, deren rote und grüne Farbgebung sich am Original orientiert, erinnert leider nicht mehr so viel an Gauß und seine Arbeit. Die Meridiankreise aus den optisch-mechanischen Werkstätten von Rebsold und von Reichenbach, wichtige Instrumente der winkelmessenden Astronomie, sind verschwunden.
Immerhin zwei Teilkreise mit extrem feiner Skalierung sind erhalten geblieben. Hinter Glas und mit einer integrierten starken Lupe sind die Skalen prima zu erkennen. Eine Markierung, ein sogenanntes Meridianzeichen, zur Ausrichtung des Kreises steht auch heute noch, 12 Kilometer von Göttingen entfernt, bei Friedland im Wald.
Für Digital-Kids unvorstellbar
Forscher in Wintermänteln
Einige Fotos aus grauer Vorzeit zeigen anschaulich, wie es damals in den Sälen aussah. Was heute nostalgisch, ja fast romantisch wirkt, war allerdings alles andere als gemütlich.

Wieder freigelegt: der geodätische Nullpunkt.
Die Sternwarte war nicht geheizt und durch die seinerzeit unverglasten Meridianschlitze drang die Kälte herein. Die Forscher haben in dicken Wintermänteln stundenlang auf ihren Stühlen gesessen und sicher auch gefroren. Für die Digital-Kids von heute ist das wahrscheinlich unvorstellbar. Die Meridianspalten, die Gauß 1888 auf 88 Zentimeter verbreitern ließ, waren zwischenzeitlich zugemauert und wurden im Zuge der Restaurierung 2008 wieder freigelegt.
Nullpunkt unter Glas
Wenn ihr die Sternwarte besucht, schaut euch unbedingt den geodätischen Nullpunkt zur Gauß’schen Landvermessung an. Ihr findet ihn unter Glas im Fußboden des westlichen Meridiansaals. Auch die satirischen Kupferstiche von William Hogarth, die im östlichen Meridiansaal hängen, sind auf jeden Fall mehr als einen flüchtigen Blick wert.
Gauß‘ Geist
Das älteste Linoleum der Welt
Oben, in der Kuppel der Sternwarte, scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Die innere Auskleidung der Kuppel dient dazu Licht zu absorbieren und durch Temperaturunterschiede entstehendes Kondenswasser aus dem Inneren fernzuhalten. Es soll sich dabei um das älteste in Benutzung befindliche Linoleum der Welt handeln.

Das alte Holzgestühl, der imposante 15-Zentimeter-Refraktor, die manuelle Steuerung zum Drehen und Öffnen der Kuppel scheinen Gauß‘ Geist zu atmen, obwohl sie definitiv erst nach seinem Wirken hier installiert wurden. Ein unscheinbarer Holzstuhl in der Fensternische soll allerdings tatsächlich dem „Princeps Mathematicorum“, dem Fürsten der Mathematiker, gehört haben. Vielleicht strömt die Mathematik ja auch in euch, wenn ihr ihn berührt.