
Tradition: Seit über 300 Jahren wird auf dem Hardenberg Korn gebrannt. Foto: Christoph Mischke
Seit Gründung der Hardenberg’schen Kornbrennerei durch Karl-Dietrich von Hardenberg im Jahr 1700 werden dort klare Spirituosen hergestellt. Seit rund zwei Jahren produziert das Familienunternehmen auch den Von Hallers Gin, der mit Kräutern aus dem Alten Botanischen Garten in Göttingen aromatisiert wird. Gibt’s übrigens auch in der Tourist-Information am Alten Rathaus. Unter dem Namen Beverbach hat das Unternehmen vor kurzem auch Single Malt German Whiskey auf den Markt gebracht. Interessant: Die Hardenberger haben dazu ihren Produktionsstandort um eine neue Destillerie erweitert, die Besucher im Rahmen von verschiedenen Führungen besichtigen können. Das fand ich spannend und habe mich mit Produktionsleiter György Varga zu einem Rundgang verabredet.
Weizen aus eigenem Anbau

Detailreich: Grafitti-Wand in der neuen Destillerie. Foto: Christoph Mischke

Bemalte Tür: Hier geht es ins Whiskey-Reich. Foto: Christoph Mischke
„Head of Distillery heißt das heute“, sagt Varga bei der Begrüßung lachend und führt mich zuerst in den älteren Teil der Produktionsanlagen, „wo die klaren Sachen wie Korn, Dreikorn und Hochzeitsweizen gebrannt werden“. Er übernimmt heute ausnahmsweise selbst die Führung. „Üblicherweise machen das unsere Tour-Guides“, berichtet Hardenberg-Eventmanagerin Karoline Albrecht, die mit Chantal Meyer vom Standortmarketing des Hauses und Praktikantin Anna-Madlen Rotter unseren Sonderrundgang begleitet. Auch für die drei ist die Whiskey-Brennerei schließlich noch ein klein wenig Neuland. Einige Hunderttausend Liter Korn werden hier im Jahr produziert, lässt Varga wissen. Imposante Zahlen, aber ich bin viel mehr davon beeindruckt, dass der Weizen, der hier verarbeitet wird, zu 100 Prozent aus eigenem Anbau stammt. Gerste und Roggen zwar nicht, aber auch sie werden in der Region geerntet. „Vom Feld ins Glas“ nennt das der Produktionsleiter, was gleichzeitig die Firmenphilosophie ist und, wie er sagt, auch für die Whiskey-Brennerei gilt.
Feinbrand als Basis für Korn und Likör

Spannend: dem Brennmeister über die Schulter schauen. Foto: Christoph Mischke

Hochprozentig: Herzstück einer jeden Produktion ist der Feinbrand. Foto: Christoph Mischke
Heute wird Hochzeitsweizen gebrannt. Detailliert beschreibt Varga den Ablauf von der Anlieferung des Getreides bis zum Feinbrand. Aufschlagen der Getreidekörner, Feinmahlen, Mischung mit Wasser, 72-stündiger Gärprozess im Maischbottich, wo unter Zugabe von Hefe und Wärme aus Zucker und Stärke Alkohol wird. Anschließend die Destillation in der Rohbrand-Kolonne, wo der Sauermaische in mehreren Schritten der Alkohol entzogen wird. Am Ende der Destillation steht der Feinbrand, der mit einem Alkoholgehalt von 96 Prozent die Basis für Korn und Likör bildet. Ich komme kaum mit meinen Notizen nach, darf dann aber am Feinbrand, von dem nur der feine Mittellauf verwendet wird, schnuppern. Duftet trotz der Alkoholstärke angenehm, leicht vanillig und etwas malzig. Weichwasser setzt das Destillat auf Trinkstärke herab, bevor der Hochzeitsweizen noch ein Jahr „auf’s Eichenholzfass muss“, um seine Milde und gold-gelbe Farbe zu erlangen. Der Hardenberg Vintage sogar ganze neun Jahre lang. „Klarer Korn reift bei uns in Eschenfässern“, berichtet der Produktionsleiter, „so finden die nötigen Oxidationsprozesse statt, aber keine Einfärbung der Spirituose.
Verantwortung für die Region

Limitiert: Sonderabfüllung zum Hardenberg Burgturnier 2018.
Mit diesem umfangreichen Vorab-Wissen ausgestattet, gehen wir in den neuen Teil der Brennerei, denn die Produktionsverfahren von Korn und Whiskey ähneln sich. Der Eingangsbereich ist mit rustikalen Holzbänken bestückt, auf denen sich die Besucher niederlassen und den Imagefilm anschauen können. Carl Graf von Hardenberg höchstpersönlich zeigt vor der Kamera seinen Familienbetrieb. Zu eindrucksvollen Bildern spricht er über Nachhaltigkeit, Verantwortung für die Region und über die Symbiose von Tradition und handwerklichem Know-how. Ein beinahe fotorealistisches Bild des Hannoveraner Grafitti-Künstlers Patrick Wolters schmückt eine komplette Wand sowie die Tür zur Destillerie. Unglaublich schön und detailreich.
Bourbon-Fässer aus den U.S.A.

Säuberlich gestapelt: Whiskey-Fässer, soweit das Auge reicht. Foto: Christoph Mischke
György Varga öffnet die Schiebetür und wir betreten die Produktionsräume. Wow, sage ich laut. Hölzerne Fässer zu meiner Linken, hölzerne Fässer zu meiner Rechten, fein säuberlich auf Gestellen gestapelt, gefüllt mit Whiskey in unterschiedlichen Reifezuständen. Ich bin schwer beeindruckt. „Über 500 Fässer lagern wir derzeit hier“, erklärt mir Karoline Albrecht, und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie ziemlich stolz darauf ist. „Hier oben liegen auch nur die „first filled“ Bourbon-Fässer, die wir aus den U.S.A. beziehen“, ergänzt Varga, „weitere 160 Weindestillat-Fässer mit unserem Whiskey befinden sich im Fasslager.“ Hier werden auch die Kornspezialitäten in eigens hergestellten Riesenfässern mit 5.500 bis 13.000 Litern Inhalt gelagert. Ich staune über diese Kapazitäten.
Malzproben in großen Gläsern

Duftintensiv: Produktionsleiter György Varga zeigt Malzproben. Foto: Christoph Mischke

Noch alkoholfrei: die Würze ist die Basis für den Gärprozess. Foto: Christoph Mischke
Ich hatte, warum auch immer, eher eine düstere Produktionsstätte erwartet, wohl mehr wie in einem Museum. Hier ist alles hell, freundlich und vor allem pieksauber. Es ist ein bisschen wie „open cooking“ in einem guten Restaurant, hier arbeiten Menschen. Alles ist live, es rumpelt, es klappert und es brummt, wir sind mitten in der Produktion. „Wir verarbeiten hier zu 100 Prozent gemälztes Getreide, heute ist beispielsweise Roggen an der Reihe“, erklärt der Head of Distillery. Das Mälzen ist ein kontrollierter Keimvorgang, bei dem aus Getreide Malz entsteht. Durch den Keimvorgang werden im Korn Enzyme aktiviert und gebildet, die für die Whiskey-Herstellung notwendig sind. Varga lässt mich an Malzproben in großen Gläsern riechen. Das Buchenrauch-Gerstenmalz riecht etwas wie Brot, finde ich und erfahre, dass gerade dies charakteristisch für Whiskey ist. Nun, ich bin halt kein Kenner, sondern höchstens Gelegenheits-Genießer. Auch hier stellt uns der Produktionsleiter den kompletten Ablauf des Brennverfahrens vor.
Brennblasen aus Kupfer

Hingucker und zentrales Element: die kupfernen Brennblasen. Foto: Christoph Mischke

Glänzend: Sauberkeit ist oberstes Gebot. Foto: Christoph Mischke
Heißes Wasser aktiviert im gemahlenen Malz die Enzyme, Stärke verwandelt sich, grob gesagt, in Zucker. Hätte ich mal im Chemie-Unterricht besser aufgepasst. Der Zucker wird langsam gelöst und schließlich die Flüssigkeit abgezogen. Dies alles geschieht im stählernen Läuterbottich. Zurück bleibt die Würze, also die löslichen Inhaltsstoffe aus dem Korn, die den Geschmack beinhalten und Zucker. Diese nichtalkoholische Würze ist die Basis für den folgenden Gärprozess, der unter Zugabe von Hefe 72 Stunden dauert. Die vergorene Maische wird in zwei Rohbrennblasen destilliert. Und die sehen klasse aus. Glänzend, aus Kupfer und mit ihren oben spitz zulaufenden Häubchen sind sie, zumindest für mich, der absolute Hingucker. Der Rohbrand dauert einen Arbeitstag und am darauf folgenden Tag wird der Feinbrand in einer weiteren Kupfer-Brennblase destilliert. Auch hier wird nur das Herzstück, der Mittellauf des Destillats, zur Whiskey-Produktion verwendet, das anschließend in die unterschiedlichen Fässer gepumpt wird. „1.200 Kilogramm Malz verarbeiten wir am Tag, was rund 5.000 Liter Maische ergibt“, verkündet Varga.
Der Duft von Whiskey-Proben

Beeindruckende Unterschiede: Chantal Meyer, Junior Guest & Relation Manager, und…

… Praktikantin Anna-Madlen Rotter schnuppern an den Karaffen. Fotos Christoph Mischke
Auf einem riesigen massiven Holztisch stehen Glaskaraffen mit Whiskeyproben in den unterschiedlichen Reifestadien, die verdeutlichen, was eine Fasslagerung ausmacht. Unsere meist unerfahrenen Nasen vertiefen sich in den Karaffenhals, um den Duft der Proben aufzunehmen, und der ist auch für einen Laien wie mich deutlich auszumachen. Während der frischgebrannte sogenannte „White Dog“ klar wie Wasser ist und nur leicht säuerlich riecht, duftet der Vierjährige in seinem Goldton fantastisch. Besonders eindrucksvoll finde ich die fünf Fässer, die mit einem Glasboden und rückwärtig installierten LED-Leuchten ausgestattet sind. Hier lässt sich an der unterschiedlichen Färbung wunderbar der jeweilige Reifegrad erkennen.

Qualitätssicherung: György Varga zieht eine Fassprobe. Foto: Christoph Mischke
Der eigentliche Whiskey wird am Ende der Lagerzeit durch das kunstvolle Vermischen aus verschiedenen Fässern, das sogenannte Blending, quasi komponiert. Warum aber heißt der Whiskey Beverbach? Die Erklärung ist einfach. Der Beverbach entspringt im Holzerode und fließt dann durch das Bevertal. Unterhalb der Burgruine Hardenberg wird er ein Teil des Schlossparks Hardenberg und mündet kurz darauf in die Leine. Verstehe, von wegen regional und heimatverbunden.
Göttinger Kräuter für Gin

Aromatisch: Botanicals für den Von Hallers Gin. Foto: Christoph Mischke
Mir fällt eine weitere kleinere Brennblase aus Kupfer auf, die etwas abseits steht. Sie wird, wie mir der Produktionsleiter erklärt, unter anderem für die Destillation der Botanicals für den Von Hallers Gin genutzt. Die getrockneten Kräuter und Gewürze, wie Zimt, Ingwer, Kardamom, Lavendel, Muskat, Zitronenverbene, Kalmuswurzel oder Pomeranzen-Schalen werden zur Lösung der ätherischen Öle in Alkohol eingelegt und abdestilliert. So erhalten die Hardenberger ein Konzentrat aus natürlichen Aromen, das, mit Wasser und Zucker versetzt, dem Erfolgs-Gin sein Aroma verleiht. Und so schließt sich der Kreis nach Göttingen. Denn, wir erinnern uns, ein Teil der Botanicals wird dort im Alten Botanischen Garten angebaut. Und, wer hat den gegründet? Richtig: Albrecht von Haller.

Gut sortiert: Hardenberg-Spezialitäten im Keiler-Laden. Foto: Christoph Mischke
Über Kommentare zu unseren Blog-Beiträgen freuen wir uns jederzeit. Schickt uns dazu gerne eine Nachricht auf unserer Mein Göttingen Facebook-Seite.